Der Aufwand von Seiten des Naturschutzes war gross, dem Flussregenpfeiferpaar im Kanderdelta zum Bruterfolg zu verhelfen. Die Markierungen der Kernzone wurden verdreifacht und als klar war, wo sich die Brutmulde mit dem Gelege befindet, wurde dieser Teil der Kiesinsel vom Ranger noch speziell mit Stangen markiert. Die aufklärenden Schutzmassnahmen galten allein dem Menschen. Bitte nicht betreten! Bitte nicht weiter gehen! Die Schutzmassnahmen scheinen sich bewährt zu haben. Das Regenwetter hat die Massnahmen unterstützt, die Freizeitmenschen blieben aus.
Nicht nur der Mensch ist eine Gefahr für die Regenpfeifer. Prädatoren wie Fuchs, Marder, Rabenkrähe und Mittelmeermöwe können den Bruterfolg ebenfalls verhindern. Die Altvögel sind nach dem Schlüpfen der Jungen dauernd mit Aufpassen und Warnen beschäftigt. Droht Gefahr warnen die Altvögel heftig und rennen von den Jungen weg. Diese laufen in die entgegengesetzte Richtung, von den Altvögeln weg und drücken sich dann zwischen Kieselsteine und werden selber zum Stein. Tarnung ist ihre einzige Chance dem Fressfeind nicht zum Opfer zu fallen.
Die dritte Gefahrenquelle im Kanderdelta sind Hochwasser, speziell nach den Juni-Gewitter. Nach der ersten Gewitternacht vor dem 5. Juni wollte ich am andern Tag nachschauen, wie sich die Situation im Kanderdelta präsentiert. Der erste Blick von der Brücke bis zur Mündung in den See verhiess nichts Gutes, im rechten Flussarm war keine einzige Kiesinsel mehr vorhanden, der linke Arm war von der Brücke nicht einsehbar. Es bestand also noch Hoffnung. Und tatsächlich, die Regenpfeifer hatten das Gewitter überlebt, die Jungen waren offenbar schon vor der Gewitternacht geschlüpft. Allerdings war die ganze Familie, die zwei Altvögel und drei Pulli auf den kleineflächigen Restinselchen ziemlich isoliert. Die Kleinen schlüpften zwischendurch immer wieder unter das wärmende Bauchgefieder eines Altvogels. Etwas später versuchten die Altvögel ihren Nachwuchs auf ein anderes Inselchen mit Bewuchs zu locken. Nach mehreren Versuchen schafften es alle drei, zum Teil schwimmend, die "Rettungsinsel" zu erreichen. Ob das gut kommt? Ich wollte es wissen und besuchte das Delta auch am andern Tag. Schon von weitem meinte ich Regenpfeifer-Warnrufe zu hören. Ich hatte mich nicht getäuscht, die ganze Familie war noch da und die umspülte Kiesfläche hatte sich wieder etwas vergrössert.
Vergangene Nacht hat es wieder stark geregnet. Hatten die Kleinen den Dauerregen überlebt? Ich hatte Bedenken, ich musste wieder hin! Der Blick von der Brücke zeigte keine Veränderung der Wassermenge, im Gegenteil. Und so war es dann auch. Die Kander führte noch mehr Wasser als am 5. und 6. Juni, die Inselchen waren praktisch verschwunden. Keine Jungvögel, nur noch ein einsamer Altvogel war anwesend. Die Tragödie hatte ihren Lauf genommen. Die Geschichte berührt und schmerzt.